Alexej von Jawlensky, Barbarenfürstin, um 1912, Osthaus Museum Hagen, Fotografie (c) Achim Kukulies, Düsseldorf



Alexej von Jawlensky (1864–1941)
Mädchenkopf mit rotem Turban und gelber Agraffe (Barbarenfürstin), um 1912
Öl auf Hartfaser



Jawlenskys Gesamtwerk wird durch drei Bildgattungen bestimmt: Landschaften, Stillleben und Porträts. Das Menschenbild war für ihn von Anbeginn die wichtigste Gattung. Er porträtierte vor allem Menschen aus seinem Umfeld, meist Personen, die in seinem Leben eine besondere Rolle spielten. Unser Bild aus dem Jahr 1912 stellt seine Lebensgefährtin Helene Nesnakomoff dar, die er erst 1922 heiraten konnte. Sie war als Haushälterin von Jawlenskys guter Freundin, Marianne von Werefkin, mit nach München übergesiedelt. 1902 hatte sie den Sohn Andreas bekommen, der aus Gründen des Dekorums zunächst als Neffe des Malers der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Jawlensky hat Helene Nesnakomoff mehr als 60-mal in sehr unterschiedlichen Posen porträtiert: in spanischer Tracht ebenso wie als Turbanträgerin, als Prinzessin Turandot, als Sinnende wie auch als Fürstin. Charakteristisch für viele Werke der Vorkriegszeit ist die Umschließung des Kopfes mit Kappe oder Turban durch eine schwarze oder dunkelblaue Linie. Dies ist eine formale Gestaltung, die wir aus der Kunst von Paul Gauguin kennen. Im Weiteren sieht man – auch auf Fotos von Helene – die charakteristische hochgezogene linke Augenbraue. Meistens ist diesen Porträts, die eine leichte Drehung des Kopfes aufweisen, ein melancholischer Gesichtsausdruck zu eigen.

Das Hagener Gemälde stammt aus einer Zeit, in der Jawlensky vor dem Ersten Weltkrieg seinen endgültigen Malstil nach langen Jahren der Suche gefunden hatte und kultivieren konnte. 1911 schrieb er in seinen Lebenserinnerungen, dass er in Prerow an der Ostsee eine substanzielle Entwicklung in seiner Malerei erfahren hatte: »Ich malte dort meine besten Landschaften und große figurale Arbeiten in sehr starken, glühenden Farben, absolut nicht naturalistisch und stofflich. Ich habe sehr viel Rot genommen, Blau, Orange, Kadmiumgelb, Chromoxydgrün. Die Formen waren sehr stark konturiert mit Preußischblau und gewaltig aus einer inneren Ekstase heraus.«

Die Porträts sind ein besonders wichtiger Beitrag zur Kunst des Expressionismus. Jawlensky gelangen meisterhafte Bildnisse, die bis heute nichts von ihrer Ausdrucksstärke verloren haben. Im Gemälde Mädchenkopf mit rotem Turban und gelber Agraffe finden wir sowohl Primär- als auch Sekundärfarben. Vor einem durch verschiedene Blautöne definierten Hintergrund sehen wir eine an uns vorbeischauende weibliche Figur mit einem rotvioletten Turban und einer gelben Agraffe. Die Locken betonen das farbintensive Gesicht. Die gelbe Bluse mit grünem Halsausschnitt und rotvioletter Inkarnatfarbigkeit bilden die Basis für das exotisch anmutende Antlitz. Der Zusatz im Titel, Barbarenfürstin, ist vermutlich erst später ergänzt worden. Dieses herausragende Gemälde gilt als eine der besten Arbeiten des russischen Künstlers.