Wassily Kandinsky, Ohne Titel (Komposition mit Trojka-Motiv), 1912, Osthaus Museum Hagen Fotografie: Achim Kukulies, Düsseldorf



Wassily Kandinsky (1866–1944)
Ohne Titel (Komposition mit Trojka-Motiv), 1912
Aquarell


Der russische Künstler Wassily Kandinsky war 1911 Mitbegründer des »Blauen Reiters« in München und gilt als der Begründer der abstrakten Kunst. Ausgehend von der Überzeugung, »ein gegenständliches Bild kann niemals in die unerforschlichen Tiefen des Geistigen im Menschen vordringen«, hatte Kandinsky die Dingwelt bald überwunden und neue künstlerische Wege beschritten. Auch Karl Ernst Osthaus hat die Bedeutung des Künstlers früh erkannt und zeigte bereits 1909 eine Ausstellung mit Werken Kandinskys und Jawlenskys im Folkwang-Museum.

Entscheidend für Kandinskys Werkentwicklung war 1895 eine Ausstellung französischer Impressionisten in St. Petersburg, wo er auf einem der Heuschober-Bilder von Claude Monet zunächst den Gegenstand nicht erkennen konnte, dann aber wie in plötzlicher Erleuchtung über die Eigenbedeutung der Farbe und des Malerischen Klarheit gewann. Etwa zur selben Zeit bemerkte er in einer Aufführung von Richard Wagners Lohengrin, dass sich vor seinem inneren Auge Klänge und Akkorde assoziativ in Farbharmonien umsetzten.

Kandinsky suchte die Erörterung visueller Phänomene in Analogie zur Musik: »Im allgemeinen ist also die Farbe ein Mittel, einen direkten Einfluß auf die Seele auszuüben. Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten. Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste zweckmäßig die menschliche Seele in Vibrationen bringt.« So begann er sich zu reinen Farbharmonien vorzutasten, um die Schwingungen der Seele sichtbar zu machen. Folgerichtig mündete der eingeschlagene Weg 1910 in seinem ersten abstrakten Aquarell.

In der Komposition mit Trojka-Motiv zerlegt der Maler die figürlichen und architektonischen Formen in Einzelelemente. Viele Formen lassen noch die Motive erkennen, von denen sie abgeleitet sind. Die Landschaft bleibt spürbar in der Einteilung von Erd- und Himmelzone. Die Troika, ein russisches Dreigespann mit einem Schlitten oder einer Kutsche, hat aber kaum noch abbildhaften Charakter, ebenso wie die Landschaft selbst. Kandinsky verteilt die Farbe in leuchtenden Flecken und zieht kräftige Linien in kontrastreicher Bewegung. Eine Dynamik erfasst die Bildoberfläche, die sich verändernden Farbflecken flackern und erscheinen durch die Pinselführung in Bewegung versetzt, während die schwarzen Konturen die Leuchtkraft der aufeinanderstoßenden Farbtöne erhöhen. Auf die Eigenaussage der Farbe vertrauend, entführt Kandinsky den Betrachter in eine kosmische Welt und erweitert den gedanklichen Horizont. Gegenstände lösen sich auf in klangvolle und harmonische Form- und Farbstimmungen.