Mein Praktikum im Osthaus Museum Hagen:
Tausche Campus gegen Kunstmuseum


Theorie und Praxis
Gestern noch im Hörsaal an der Domäne Marienburg in Hildesheim, heute im Kulturbüro der Stadt Hagen. Die Abteilung „Museumspädagogik“ des Osthaus Museum Hagen ist in einem schmucken, spätklassizistischen Bau unter gebracht. Praktischerweise schräg gegenüber dem historischen Folkwang-Museum mit seiner Neorenaissance-Fassade und dem postmodernen Glasanbau von 2009. Acht Wochen, um heraus zu finden, wie die Berufspraxis einer Kunstvermittlerin aussieht. Die Zeit ist im Flug vergangen…

Ich war zunächst damit beschäftigt, mich mit der Person Karl Ernst Osthaus und der Entstehungsgeschichte des Museums vertraut zu machen, das Gebäude und die Mitarbeiter kennen zu lernen. Um zu verstehen, wie dieses Museum tickt, habe ich in Geschäftsberichten und Ausstellungskatalogen geblättert und mich in relevante Themengebiete eingelesen. Auf die Theorie folgte rasch die Praxis. Mir wurde Einblick in das umfangreiche Vermittlungsprogramm gewährt - bei zahlreichen Führungen durfte ich als „Gasthörerin“ dabei sein und bei Workshops im Museumsatelier assistieren. Ich konnte erleben, dass ein- und derselbe Inhalt sehr unterschiedlich aufbereitet und vermittelt werden kann. Denn jede Museumspädagogin hat Ihre ganz eigene Art, mit Menschen umzugehen und sich einem Thema zu nähern.

Ausstellungen und Führungsformate
Die Führungen beziehen sich auf die Geschichte des Museums, die Sammlung zur klassischen Moderne und die ständig wechselnden Sonderausstellungen zur zeitgenössischen Kunst. Während meiner Praktikumszeit liefen drei Ausstellungen parallel:
1. In der Mitmach-Ausstellung „#participate – mach dich zum Kunstwerk“ werden Besucher eingeladen, mit weltberühmten Klassikern der Kunstgeschichte spielerisch in Interaktion zu treten und die Ergebnisse im Bild fest zu halten. Spaß garantiert!
2. Der Titel "Steine legen, Äpfel lesen" erschließt sich erst nach genauerer Betrachtung der poetischen Landschaftsmalereien der aus Japan stammenden Maki Na Kamura. Die Arbeiten zeichnen sich durch Offenheit und Vielschichtigkeit aus. Der Betrachter wird herausgefordert, seiner Intuition zu folgen und eine eigene Lesart zu finden. Unbedingt anschauen!
3. Das „Junge Museum“ zeigt Videoinstallationen von Gilsuk Ko. Die koreanische Künstlerin widmet sich in ihren kurzen, eindringlichen Performances zwischenmenschlichen Beziehungen, Berührungen, Verflechtungen, Abhängigkeiten. Nicht verpassen!

Für jede Ausstellung wird von Museumspädagoge/innen, die Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft, Archäologie oder Textilwirtschaft studiert haben, ein individuelles Vermittlungskonzept erarbeitet. Es gibt passgenaue Führungen für jede Altersstufe: Familien, Kindergartenkinder, Schulklassen, Erwachsene oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Bei Grundschülern beliebt ist die 90-minütige Kombination aus Führung und Workshop. Auf diese Weise kann jedes Kind Kunstwerke im Original bestaunen und dann selbst kreativ werden. Einmal im Monat findet der „Kunsttreff“ in der aufwendig gestalteten Museumslounge statt. Er richtet sich an eher ältere Teilnehmer/innen, ist aber offen für alle Interessierten. 120 Minuten beinhalten einen Vortrag, eine Kaffeepause zum Gedankenaustausch und eine Führung durch die aktuelle Ausstellung. Der größte Anteil sind öffentlichen Führungen, es besteht darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, private Führungen zu Wunschthemen wie "Deutscher Expressionismus" oder "Architektur der Erinnerung" zu buchen.

Der „Hagener Impuls“ – eine Besonderheit
Neben den Angeboten, die im Museum stattfinden, gibt es regelmäßige Führungen zum „Hagener Impuls“, zu baugeschichtlichen Sehenswürdigkeiten aus der Zeit der Reformbewegung zwischen 1900 und 1921. Dazu gehört die von Henry van de Velde gestaltete Jugendstil-Villa Hohenhof samt der Künstlerkolonie am Stirnband, die Walddorfsiedlung von Richard Riemerschmidt, die Andachtshalle des Krematoriums von Peter Behrens, der Buschey-Friedhof und die Stadtteilführung durch Wehringhausen.

Kunst vermitteln
Welche Fähigkeiten sind für den Beruf „Museumspädagoge/in“ gefragt? Neben der Aneignung von Fachwissen im Bereich Architektur-, Design- und Kunstgeschichte gehört der Wunsch, dieses Wissen weiter zu geben. Museumspädagoge/innen eröffnen Ausstellungsbesucher/innen einen besonderen Zugang zu Künstler/in und Werk. Das können Gemälde sein, Skulpturen, Videoinstallationen oder sehenswerte Bauwerke. Die Kunst besteht darin, die jeweilige (Ziel-)Gruppe individuell anzusprechen, denn je nach Publikum kann die Rolle bei einer Führung vom kinderkompatiblen Unterhalter zum wissenschaftlich-fundierten Redner wechseln. In Malkursen und Kunst-Workshops ist praktische Erfahrung im Umgang mit Farbe und Pinsel, Kreide, Zeichenstift oder Kohle von Vorteil.

Wie sieht die berufliche Perspektive aus?
Das Berufsfeld ist intellektuell anspruchsvoll, abwechslungsreich, auf Menschen bezogen und Sinn stiftend, bietet allerdings sehr wenig feste Arbeitsplätze. Wer bereit ist, sich selbständig zu machen, hat eine Chance, muss sich aber auf unbequeme Arbeitsbedingungen einstellen: geringe Verdienstmöglichkeiten, kaum Planungssicherheit, hoher Stressfaktor.

Fazit
Allen Unkenrufen zum Trotz: Das Osthaus Museum Hagen lohnt sich – das sage ich aus der Perspektive der Praktikantin und der Besucherin. Ausstellungen wie #participate mögen manchem Kunstfreund zu populär erscheinen – ich denke, das Museum bietet ein lebendiges, vielfältiges und sehr sehenswertes Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm, besonders unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Stadtkassen leergefegt sind.


Kurz-Vita
Julia Marx, geboren 1971 in Hagen, arbeitete viele Jahre als freie Grafik-Designerin in Hamburg. Seit 2014 studiert sie „Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis“ mit dem Schwerpunkt Kunst und Literatur an der Stiftung Universität Hildesheim. Im Rahmen eines studentischen Pflichtpraktikums hospitierte sie acht Wochen bei Frau Dr. Elisabeth May, promovierte Kunsthistorikerin, Museumspädagogin und Leiterin „Junges Museum“ im Osthaus Museum Hagen.


Foto: Julia Marx vor dem historischen Eingangsportal des Osthaus Museums